Letzte Aktualisierung am: Tue, 27. Dec 2011
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Die 3 goldenen Regeln der Stereofotografie
(3D-Fotografie)

Gerhard P. Herbig,   gph@herbig-3d.de

Die 3 goldenen Regeln zur Stereofotografie sollen dabei helfen, den vorhandenen Handlungs­spielraum bei der Stereo-Aufnahme, der Stereo-Rahmung und der Stereo-Projektion sinnvoll zu nutzen. Eine zusammenfassende Liste der technischen Notwendigkeiten, welche nicht im kreativen Gestaltungsbereich des Stereofotografen liegen, sondern strikt einzuhalten sind, finden sich in einem Ergänzungspapier [1].

Was muß bei der Stereofotografie beachtet werden?
Es gibt genau 3 Grundregeln, welche zu beachten sind, und zwar je eine bei der

1) Aufnahme von Stereobildern, eine bei der
2) Rahmung von Stereobildern und eine bei der
3) Wiedergabe von Stereobildern, der Stereoprojektion.

Für höchsten Raumgenuß ist die Einhaltung aller 3 Grundregeln notwendig, aber auch ausreichend. Alle weiteren Stereo-Gesetze, -Gebote und -Regeln lassen sich aus diesen 3 Grundregeln ableiten (ausgenommen die Forderungen an den Höhenfehler, siehe Anhang).


1. Die Aufnahmeregel:

Die Tiefeninformation in einem Stereobild darf bestimmte Grenzen nicht überschreiten!

Warum ist die Aufnahmeregel einzuhalten?

Da unser Gehirn nur eine begrenzte Tiefeninformation verarbeiten kann, muß auch die im Stereobild enthaltene Tiefe begrenzt sein, damit das gesamte Stereobild als ein einheitliches Raumbild wahrgenommen werden kann. Eine Verletzung der Aufnahmeregel führt im schlimmsten Fall zu einem Zerfall des Raumbildes in einzelne Bildteile. Die Aufnahmeregel ist eine unter allen Umständen einzuhaltende Bedingung für ein angenehm zu betrachtendes Stereobild.

Welche Grenzwerte und Toleranzen gibt es bei der Aufnahmeregel?

Bei der Aufnahme eines Stereobildes erzeugt die räumliche Tiefe einen seitlichen Versatz der beiden korrespondierenden Bildpunkte im linken und rechten Stereoteilbild. Für nahe Objekte ist dieser Versatz groß, für entfernte Objekte klein. Die Differenz zwischen dem größten (durch den ‘Nahpunkt’ erzeugten) und dem kleinsten (durch den ‘Fernpunkt’ erzeugten) Versatz nennt man Deviation. Die Deviation sollte normalerweise 1/30 der gesamten ohne Kopfverdrehen erfassbaren Bildbreite nicht überschreiten (für die Experten: dieser Wert folgt aus der 70'-Bedingung).

Anmerkung 1: Wenn es das Motiv zulässt, kann auch der Bildraum vor dem Scheinfenster genutzt werden. Für diese Fälle gilt eine erhöhte Deviationsgrenze, deren genauer Wert aber vom Motiv abhängig ist. Für die Bildanteile, die vor dem Scheinfenster liegen, kann eine zusätzliche Deviation bis 1/50 der Bildbreite meist gut akzeptiert werden.

Anmerkung 2: Die Beschränkung der Deviation auf 1/30 der Bildbreite bezieht sich immer auf den gleichzeitig erfassbaren Bildbereich, ohne dass der Kopf bewegt werden muss. Ist beispielsweise das projizierte Stereobild so groß, dass es nicht mehr gleichzeitig wahrgenommen werden kann, ist der maximale Deviationswert entsprechend zu reduzieren. Für die Kinoprojektion mit sehr großen Leinwänden wird deshalb eine reduzierte Deviation von 1/40 der Bildbreite empfohlen.

Anmerkung 3: Bei Präsentationen mit variierenden Höhen/Seitenverhältnissen sind alle individuellen maximalen Deviationswerte auf die Bildbreite des breitesten Bildes zu beziehen. Dies führt für die Hochformat-Bilder in der Regel zu deutlich höheren maximalen Deviationswerten.

>Anmerkung 4: Der maximale Seitenversatz von 1/30 der Bildbreite ist als obere Grenze zu verstehen und kann im Einzelfall auch schon zu groß sein, besonders wenn sich das Nahpunktobjekt und das Fernpunktobjekt in einem Stereobild gerade schneiden.

Eine einfache Abstandsbedingung zum Einhalten der Aufnahmeregel lautet:

Nahpunktweite > Stereobasis mal Brennweite (alle Werte in mm).

Die Nahpunktweite ist die Entfernung zwischen der Kamera und dem vordersten Motivpunkt. Die Aufnahmebasis (Abstand der Objektive) beträgt bei echten Stereokameras etwa 65mm. Häufig findet man - besonders in der älteren Literatur - statt der Brennweite einen festen Wert, beispielsweise 35 oder 50mm. Da die meisten heute verkauften Stereokameras Zoom-Objektive mit verstellbaren Brennweiten besitzen, haben diese einfachen und nur für die entsprechenden Festbrennweiten gültigen Faustformeln nur noch einen eingeschränkten Wert. Die oben angegebene Abstandsbedingung gilt für alle Motive, welche den Unendlichpunkt (also z.B. den Horizont) als Bildbestandteil enthalten.

Wie halte ich die Aufnahmeregel ein?

Bei der Aufnahme ist lediglich dafür zu sorgen, daß kein Aufnahmeobjekt der Kamera näher ist als die mit der obigen Abstandsbedingung berechnete zulässige Nahpunktweite, also beispielsweise 2,3m bei 35mm Brennweite, 3,3m bei 50mm Brennweite oder 4,5m bei 70mm Brennweite (bei 65mm Aufnahmebasis). Die Abstandsbedingung ist zu modifizieren, wenn der Fernpunkt nicht im Unendlichen liegt, die Aufnahmeszene also nicht bis ins Unendliche reicht. (Die Brennweitenangaben sind auf 35mm-Analogfilm bezogen.)

Aufnahmeregel: Auf ausreichenden Mindestabstand achten!

 



2. Die Rahmungs- oder Montageregel:

Kein Teil des Raumbildes darf vom Scheinfenster angeschnitten werden!

Warum ist die Rahmungsregel einzuhalten?

Bei der Stereoprojektion (und auch beim Betrachten mit einem Stereobetrachter) wird das Raumbild in der Regel hinter einem scheinbaren Fenster wahrgenommen. Dieses Fenster heißt Scheinfenster. Tatsächlich handelt es sich hierbei um das Raumbild der Bildumrandung. (Das linke Teilbild ist die linke Bildumrandung, das rechte Teilbild ist die rechte Bildumrandung.). Ob das Raumbild vor oder hinter diesem Scheinfenster wahrgenommen wird, ist ausschließlich von der Lage der Einzelbilder zueinander abhängig.

Das Scheinfenster wird als Öffnung in einer festen Wand wahrgenommen. Bei einer Verletzung der Rahmungsregel befindet sich das Raumbild zu weit vor dem Scheinfenster und Teile des Bildes scheinen dann die Wand zu durchdringen. Dieser 'Bildfehler' führt zu einem deutlich verminderten Genuß beim Betrachten von Raumbildern. Die Rahmungsregel ist jedoch nur eine Kann-Forderung, d.h. sie sollte, sie muß aber nicht unter allen Umständen eingehalten werden.

Welche Grenzwerte und Toleranzen gibt es bei der Rahmungsregel?

Die Rahmungsregel ist eine ästhetische Forderung. Stereobilder, welche diese Forderung verletzen, können trotzdem ermüdungsfrei betrachtet werden. Die Einhaltung der Rahmungsregel führt in der Regel dazu, daß das gesamte Bild hinter dem Scheinfenster wahrgenommen wird. Da bei kommerziellen 3D-Produktionen häufig mehr auf ein spektakuläres Ergebnis als auf die Ästhetik Wert gelegt wird, findet man dort die meisten Verletzungen der Rahmungsregel, indem man ganz bewußt das Stereobild weit vor das Scheinfenster setzt.

Nur freistehende Objekte, die innerhalb der Rahmenfenster und im vorderen Aufnahmeraum liegen - wie zum Beispiel ein frontal aufgenommener Elefantenrüssel - dürfen in Einklang mit der Rahmungsregel (und sollten auch) aus dem Scheinfenster herausragen. Siehe hierzu auch die Bemerkungen bei der Aufnahmeregel. Weitere beliebte Beispiele sind: der Brunnenarm, dessen Wasserfontäne in den Zuschauersaal spritzt, das Tier, das seinen Kopf durch das Scheinfenster streckt, der Vogel oder das Insekt, das vor dem Scheinfenster fliegt, u.a.m.

Wie halte ich die Rahmungsregel ein?

Schneidet man am linken Bild links und am rechten Bild rechts einen schmalen Streifen ab, (Dias werden relativ zum Diarahmen auseinander gezogen), wandert das Raumbild nach hinten, im entgegengesetzten Fall nach vorne. Bei digitalen Stereobildern wird die Lage des Scheinfensters mit einer Montagesoftware (z.B. COSIMA) entweder manuell oder vollautomatisch positioniert. Eine optimale Montage des Stereobildes ist genau dann erreicht, wenn sich das Raumbild

so weit vorne wie möglich,
aber so weit hinten wie nötig

befindet. Der Nahpunkt berührt dann gerade das Scheinfenster. Das Raumbild beginnt also unmittelbar hinter dem Fenster und es wird zwischen Scheinfenster und Nahpunkt kein Raum ‘verschenkt’. (Diese Art der Rahmung wird auch Nahpunkt-Rahmung genannt.) Verletzungen der Rahmungsregel können bei der Projektion ebenfalls nicht mehr korrigiert werden.

Rahmungsregel: Nur freistehende Bildteile vor das
Scheinfenster rahmen!

 



3. Die Wiedergaberegel:

Der Betrachter eines Stereobildes darf nicht zu divergenter Augenstellung gezwungen werden!

Warum ist die Wiedergaberegel einzuhalten?

Beim Sehen in die Ferne sind die Achsen der beiden Augen parallel und beim Sehen in die Nähe etwas nach Innen geneigt. Niemals aber kommen beim natürlichen Sehen auseinanderlaufende (divergente) Augenachsen vor. Wird man beim Betrachten eines Stereobildes längere Zeit zu divergenten Augenachsen gezwungen, sind Kopfschmerzen die unausweichliche Folge. Auch wenn einige alte 'Stereo-Hasen' zu ganz erstaunlicher Augengymnastik fähig sind, sollte das Stereo-Sehen ein Genuß für jeden Betrachter sein. Die Wiedergaberegel ist deshalb bei der Stereoprojektion eine unter allen Umständen einzuhaltende Forderung.

Welche Grenzwerte und Toleranzen gibt es bei der Wiedergaberegel?

Da beim natürlichen Sehen ein im Unendlichen liegender Bildpunkt mit parallelen Augenachsen fixiert wird, sind bei der Stereoprojektion solche Bildpunkte mit einem Abstand von etwa 65mm auf die Leinwand zu projizieren (dies entspricht dem statistischen Mittelwert des Augenabstandes). Geringe Überschreitungen sind sicherlich erlaubt, sollten aber je 1m Projektionsabstand nicht mehr als etwa 10mm betragen (also eine Überschreitung von etwa 50mm bei 5m Abstand, 100mm bei 10m Abstand usw.). Bei der Abschätzung des Projektionsabstandes ist natürlich derjenige Zuschauer zu berücksichtigen, welcher der Leinwand am nächsten sitzt. (Für die Experten: die Fachliteratur gibt für die maximal zulässige Divergenz einen Winkel von 1º an - dies führt aber nach Erfahrungen des Autors bei vielen Zuschauern schon zu deutlichen Ermüdungserscheinungen!)

Wie halte ich die Wiedergaberegel ein?

Wenn die Aufnahme- und die Rahmungsregel erfüllt sind, ist die Einhaltung der Wiedergaberegel ein Kinderspiel. Ein korrekt montiertes Stereobild, welches den Unendlichpunkt enthält, wird testweise projiziert. Die Projektoren werden dann seitlich so lange verschoben, bis die beiden Unendlichpunkte auf der Leinwand einen Abstand von 65mm (eventuell plus zusätzlicher Toleranzwert) besitzen. Mit dieser Vorgehensweise kann das Scheinfenster dann durchaus auch vor der Dialeinwand liegen!

Nur bei der Heimprojektion mit begrenzter Projektionsvergrößerung wird der Einfachheit halber das Scheinfenster genau in die Ebene der Projektionsfläche gelegt. Bei Projektionen im größeren Saal ist dieses Vorgehen nicht empfehlenswert, da sonst den Zuschauern zur Raum-Wahrnehmung nur sehr entfernte Objekte (eben solche mit mindestens Leinwand-Abstand) angeboten werden können - und die Wahrnehmung von nahen 3D-Objekten ist bekanntermaßen viel spannender als die von weit entfernten!

Wiedergaberegel: Divergente Blickrichtungen unbedingt vermeiden!

 



Weitere Richtlinien und Handlungsanweisungen siehe
Leitlinien zur Herstellung von Stereobildern und Stereofilmen




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