Letzte Aktualisierung am: Tue, 27. Dec 2011
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Allgemeine Technische Begriffe der Stereoskopie
(Raumbildwesen)

Fritz G. Waack †

Überarbeitung von Gerhard P. Herbig,   gph@herbig-3d.de

Vorwort: Der folgende Text diente in seiner ursprünglichen Fassung als Vorlage für eine (inzwischen nicht mehr aktive) DIN-Norm.

Wo keine sachlichen Gründe zu Änderungen vorlagen, wurde der ursprüngliche Text auch unverändert übernommen. In anderen Teilen jedoch, wo es technische Fortschritte gab oder eine Erweiterung notwendig erschien, wurden der Text bearbeitet, ergänzt sowie neue Teile hinzugefügt. Um auch eine technische Orientierungshilfe zu geben, wurden einige Hinweise mit Zahlenangaben, die in der Regel in Normenblättern nicht zu finden sind, hinzugefügt.

Dort, wo es möglich war, wurde der ursprüngliche Text beibehalten, auch wenn stilistische Gründe eher zur Umformulierung angeregt hätten.


Inhaltsverzeichnis

1 Geltungsbereich

2 Stereoskopische Bilder
2.1 3-D-Bild
2.2 Raumbild
2.3 Stereobild (Stereogramm)
2.4 Halbbild
2.5 Rasterbild
2.6 Teilbild
2.7 (Parallax-) Panoramagramm
2.8 Bildträger
2.9 Stereodia (positiv)
2.10 Größenangaben von Stereobildern

3 Stereoskopische Geräte für die Aufnahme
3.1 Stereosystem
3.2 Stereophotographie
3.3 Stereokamera
3.4 Stereovorsatz
3.5 Stereoschieber

4 Stereoskopische Verfahren/Geräte für die Wiedergabe
4.1 Parallelblick
4.2 Kreuzblick
4.3 Stereoskopische Sehhilfe
4.4 Stereoprojektor
4.5 Stereobildwand
4.6 Shutterbrille
4.7 Autostereoskopie

5 Stereoskopische Bildtrennung und Vorrichtungen
5.1 Bildtrennung, stereoskopische~
5.2 Polarisationseinrichtungen zur Bildtrennung
5.3 Anaglyphen-Lichtfilter
5.4 Rasteröffnung
5.5 Rasterschritt
5.6 Zeitsequentielle Bildtrennungsverfahren

6 Stereoskopische Verfahren und Vorrichtungen
6.1 Spreizverfahren
6.2 Siebverfahren
6.3 Vektographenverfahren
6.4 Vektographenbild
6.5 Anaglyphenbild
6.6 Anaglyphenbrille
6.7 Polarisationsbrille

7 Stereoskopische Begriffe zum Objekt- und Bildraum
7.1 Blickfeld
7.2 Stereoskopische Sehschärfe
7.3 Stereoskopische Tiefenzone
7.4 Akkomodation
7.5 Blicksprungfreiheit
7.6 Konvergenz
7.7 Divergenz
7.8 Orthomorph
7.9 Tautomorph
7.10 Orthoskopisch
7.11 Planoskopisch
7.12 Stereoskopische Blendenzahl

8 Geometrische Begriffe der Stereoskopie
8.1 Augenabstand
8.2 Aufnahmebasis
8.3 Betrachtungsbasis
8.4 Korrespondierende Bildpunkte
8.5 Stereofernpunkt
8.6 Stereonahpunkt
8.7 Scheinfenster
8.8 Konvergenzwinkel
8.9 Verschmelzungswinkel

9 Raumbildverzerrungen ohne Verschmelzungsstörungen
9.1 Gigantismus (auch Mammutwirkung)
9.2 Liliputismus (auch Modellwirkung)
9.3 Vertiefung (hyperstereoskopisch, hypertrop)
9.4 Verflachung (hypostereoskopisch, endotrop)
9.5 Verkantung und Verkippung
9.6 Raumbildverzerrung

10 Raumbildfehler mit Verschmelzungsstörungen
10.1 Pseudoskopisch
10.2 Bildfehler, bei der Aufnahme entstanden
10.3 Bildfehler, bei der Rahmung entstanden
10.4 Bildfehler, bei der Wiedergabe entstanden
10.5 Störbild
10.6 Nebenbild
10.7 Moiré
10.8 Leuchtdichte-Unterschiede
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1 Geltungsbereich

In diesem Text wird neben einer Anzahl bereits eingeführter Begriffe eine Reihe bisher noch nicht definierter Begriffe erklärt und auch die neuerdings erzielten Fortschritte auf dem Gebiet der serienmäßigen Rasterstereoskopie berücksichtigt, nicht aber die auf anderen Grundlagen beruhende Holographie.

Die Stereoskopie ermöglicht - im Gegensatz zu zweidimensional (-flächenhaften) Bildtechniken - eine echte Raumwahrnehmung anstelle der sonst nur vermittelten Raumvorstellung. Wortableitungen von Plastik, plastisch sollten vermieden bleiben, weil sie im Sprachgebrauch zunehmend auf Anwendungen der Kunststoffchemie und Chirurgie bezogen werden. Da die Benennung 'dreidimensional' auch auf allgemeine Raumvorstellungen zutrifft, sollte sie für den Bereich Stereoskopie vermieden werden. Ihre Abkürzung '3-D' hat sich allerdings eingeführt. Fachgerechte Ableitungen aus 'Raum' und 'räumlich' sind zu bevorzugen.

Für den Bereich der computergenerierten Stereobilder wird auf eine Germanisierung der Begriffe bewusst verzichtet.

Die Empfehlungen der mathematischen Symbole entspricht der international üblichen Nomenklatur in der technischen Optik.

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2 Stereoskopische Bilder

Stereoskopische Bilder können auf photographischem, zeichnerischem oder rechnerischem Wege dargestellt werden. Gerade die Erzeugung stereoskopischer Bilder mittels Computer erlangt zunehmend an Bedeutung. Da diese technische Entwicklung zur Zeit aber noch starken Änderungen unterworfen ist, kann dieser Bereich nicht erschöpfend behandelt werden.

2.1 3.D-Bild

Das 3-D-Bild ist der Sammelbegriff für ein Bild, das bei beidäugiger Betrachtung echte Tiefenwahrnehmung und damit räumliche Wirkung vermittelt.

2.2 Raumbild

Das Raumbild ist der beidäugig zustande kommende, virtuelle Verschmelzungseindruck beim Betrachten eines Stereo- oder Rasterbildes.

2.2.1 Naturgetreues Raumbild

Das naturgetreue Raumbild vermittelt einen form- und größenrichtigen Eindruck der dargestellten Szene, siehe auch Tautomorphie.

2.3 Stereobild (Stereogramm)

Das Stereobild ist ein Bildpaar aus zwei raumparallaktisch verschiedenen, jedoch weitgehend inhaltsgleichen Halbbildern, die stereoskopisch aufgenommen oder konstruiert wurden.

2.4 Halbbild

Das Halbbild ist das Einzelbild (Rechts- oder Linksbild) eines Stereobildes.

Anmerkung: Der Begriff Halbbild bezeichnet in der Fernseh- und Videotechnik die Gesamtheit der geradzahligen beziehungsweise ungeradzahligen Zeilennummern. Um eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden, besonders im Umfeld stereoskopischer Fernseh- und Videotechnik, wird deshalb die Verwendung der Begriffe linkes Halbbild, rechtes Halbbild oder stereoskopisches Halbbild empfohlen.

2.4.1 Halbbildanordnung, augenrichtige ~

Die augenrichtige Halbbildanordnung ist die Zuordnung der beiden Halbbilder eines Stereobildes entsprechend der Lage der Augen bei der Direktbetrachtung. Die augenrichtige Halbbildanordnung ist für gedruckte Stereobilder wie auch für Stereodias vorzuziehen, da ihre Betrachtung dann jederzeit mit einfachen Hilfsmitteln, wie einer Stereobrille (für gedruckte Bilder) oder einem Stereobetrachter (für Stereodias) erfolgen kann. Bei der aufrechten und seitenrichtigen Lage ist das Linksbild links neben dem Rechtsbild angeordnet. (L-R-Anordnung; Symbol: O = ein Kreis.).

2.4.2 Halbbildanordnung, augenwidrige ~

Bei der augenwidrigen Halbbildanordnung ist das Linksbild im Gegensatz zur augenrichtigen Halbbildanordnung rechts neben dem Rechtsbild angeordnet. Die augenwidrige Halbbildanordnung ermöglicht es, mittels des Kreuzblickes Stereobilder zu betrachten, deren Rahmenabstand größer ist, als der Augenabstand. (R-L-Anordnung; Symbol: OO = zwei Kreise.)

2.4.3 Halbbildanordnung, kombinierte ~

Bei der kombinierten Halbbildanordnung werden drei Bilder nebeneinander gedruckt, das linke und mittlere in augenrichtiger Halbbildanordnung und das mittlere und rechte in augenwidriger Halbbildanordnung. In dieser Anordnung bleibt es dem Betrachter überlassen, ob er die Stereobilder mit dem Parallelblick oder dem Kreuzblick betrachten möchte. (L-R-L-Anordnung; Symbol: OOO = drei Kreise.)

2.5 Rasterbild

Das Rasterbild ist eine Bildergruppe aus mehr als zwei raumparallaktisch verschiedenen, jedoch weitgehend inhaltsgleichen Teilbildern. Der Abstand zwischen einander entsprechenden seitlichen Randbegrenzungen der ineinander verschachtelten Teilbilder wird Rastermaß genannt.

Anmerkung: Ursprüngliche Fachausdrücke, wie Parallaxstereogramm, Rasterstereobild, Schachtelraumbild usw., sind heute überwiegend den jeweiligen Handelsnamen gewichen. Für ein Rasterbild mit zeit- anstelle von raumparallaktisch verschiedenen Teilbildern zugunsten einer Scheinbewegung in Abhängigkeit von der Blickrichtung des Betrachters hat sich die Bezeichnung 'Wechselbild' eingeführt. Neuerdings werden beide Möglichkeiten zu '4-D'-Bildern kombiniert.

2.6 Teilbild

Das Teilbild ist die Gesamtheit der auf das Blickfeld (eines der beiden Augen) bezogenen Teile eines Rasterbildes.

2.7 (Parallax-) Panoramagramm

Das Panoramagramm ist eine Bildergruppe aus mehr als zwei raumparallaktisch verschiedenen, jedoch weitgehend inhaltsgleichen Teilbildern (siehe Rasterbild).

2.8 Bildträger

Ein Bildträger im Sinne dieses Textes ist jede Unterlage (Glas, Film, Papier), auf welcher sich ein photographisch hergestelltes gezeichnetes oder gedrucktes Halbbild, Teilbild oder Stereobild befindet.

2.9 Stereodia (positiv)

Das Stereodia ist ein Stereobild mit durchsichtigen Halbbildern.

2.10 Größenangaben von Stereobildern

2.10.1 Außengröße

Maße der Einfassung (Maske, Karton, Deckgläser einschließlich Klebestreifen usw.) eines Stereobildes oder seiner Umrandung.

2.10.2 Nenngröße

Die Nenngröße eines Stereobildes ist die zahlenwertmäßige Angabe der Höhe und Breite von in Zentimetern umgerechneter und abgerundeten Außengrößen von Stereobildern.

2.10.3 Nenngröße der Halbbilder

Die Nenngröße der Halbbilder entspricht den Außenmaßen in mm der Halbbilder auf der Unterlage (Film, Platte, Papier).

2.10.4 Nutzgröße der Halbbilder

Sichtbarer Halbbildausschnitt in mm:
beim Durchsichtsbild (Stereodia) die Größe des Fensterausschnittes im Diarahmen, beim Aufsichtsbild (Kopie, Druck) das Bildfeld, mathematische Symbole für die Höhe h und für die Breite w.

2.10.5 Rahmenabstand

Der Rahmenabstand ist der Abstand der einander entsprechenden seitlichen Randbegrenzungen der Halb- oder Teilbilder eines Stereobildes.

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3 Stereoskopische Geräte für die Aufnahme

3.1 Stereosystem

Das Stereosystem ist die Gesamtheit aller aufeinander abgestimmter stereoskopischer Geräte für die Aufnahme, Bearbeitung und Wiedergabe (Direktbetrachtung oder Projektion) von zueinander ausgerichteten Halbbildern nach festgelegter Anordnung.

3.2 Stereophotographie

Man unterscheidet vier Arten der Herstellung.

3.2.1 Herstellen beider Halbbilder eines Stereobildes auf einem gemeinsamen Bildträger

a) mit gleichzeitiger Belichtung durch eine Stereokamera

b) mit gleichzeitiger Belichtung durch eine Einzelbildkamera mit aufgesetztem Stereovorsatz (Strahlenteiler oder Doppelobjektivvorsatz)

c) mit zeitlich versetzter Belichtung (Zeitparallaxe) durch eine Einzelbildkamera, z.B. mit Stereoschieber.

3.2.2 Herstellen beider Halbbilder eines Stereobildes auf zwei getrennten Bildträgern

mit gleichzeitiger Belichtung durch zwei miteinander gekuppelte Einzelbildkameras.

3.3 Stereokamera

Die Stereokamera ist eine photographische Kamera zum gleichzeitigen Herstellen zweier Halb- oder mehrerer Teilbilder eines Stereobildes.

Unterschieden werden:

a) Stereokameras mit einer Aufnahmebasis, die dem Augenabstand möglichst ähnlich ist, um naturgetreue Raumbilder zu erhalten ( Aufnahmebasis zwischen 60 und 75 mm).

b) Stereokameras mit einer gegenüber dem Augenabstand geringfügig reduzierten Aufnahmebasis, um speziell unter Wasser naturgetreue Raumbilder zu erhalten ( Aufnahmebasis zwischen 40 und 50 mm).

c) Stereokameras mit einer gegenüber dem Augenabstand deutlich reduzierten Aufnahmebasis zur Herstellung von Stereobildern im Nahbereich. ( Aufnahmebasis wenige Millimeter bis etwa 20 mm).

3.4 Stereovorsatz

a) Optische Vorsatzeinrichtung für Einzelbildkameras zur stereoskopischen Strahlenteilung zur Montage vor das Objektiv, mit variabler oder fester Aufnahmebasis,

b) Doppelobjektiv-Vorsatz mit variabler oder fester Aufnahmebasis, welcher anstelle des (auswechselbaren) photographischen Objektivs einer Einzelbildkamera eingesetzt wird.

c) Optische Vorsatzeinrichtung für Stereoameras mit auswechselbaren Objektiven, welche durch Strahlungsumlenkung eine Aufnahmebasis ermöglicht, die deutlich geringer ist als der Abstand der Bajonettringe an der Kamera. Sinn dieses Vorsatzes ist die Herstellung von Stereobildern im Nahbereich.

3.4.1 Keilvorsatz

Der Keilvorsatz ist eine brillenartige Fassung mit zwei Prismen, die vor die beiden photographischen Objektive einer Stereokamera gesteckt wird.

Der Keilvorsatz ermöglicht Nahaufnahmen im Abstand von etwa 2,5 bis 1,0 m durch Konvergenz der beiden optischen Achsen in Aufnahmerichtung, wodurch im Nahbereich ein gemeinsamer Bildinhalt erzielt wird.

3.4.2 Keillinsenvorsatz

Der Keillinsenvorsatz ist eine brillenartige Fassung mit zwei keilförmigen Linsen, die vor die beiden photographischen Objektive einer Stereokamera gesteckt wird.

Der Keillinsenvorsatz ermöglicht Nahaufnahmen im Abstand ≤ 1 m, da bei ihm nicht nur die beiden optischen Achsen konvergieren (siehe Keilvorsatz), sondern darüber hinaus noch die Brennweite der photographischen Objektive verkürzt wird.

3.5 Stereoschieber

Der Stereoschieber ist eine Vorrichtung zum parallelen Verschieben einer photographischen Kamera zu zeitlich versetzten Stereo-Einzelbildaufnahmen mit einstellbarer Aufnahmebasis, z.B. für raumbildliche Vergrößerung (Gigantismus) oder Verkleinerung (Liliputismus).

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4 Stereoskopische Verfahren und Geräte für die Wiedergabe

Die stereographische Wiedergabe schließt das direkte und indirekte Betrachten (z.B. durch Projektion oder sonstige Zwischenabbildung) ein.

4.1 Parallelblick

Die Augenachsen verlaufen parallel, um augenrichtig angeordnete Stereobilder ohne Sehhilfe betrachten zu können. Diese Stellung der Augenachsen kommt beim natürlichen Sehen in die Ferne vor, deshalb passt dazu die Akkomodation der Augenlinsen auf Unendlich. Um mit dem Parallelblick gedruckte Stereobilder zu betrachten, sind jedoch die Augen auf die Nähe scharf zu stellen und deshalb Konvergenz und Akkomodation zu trennen. Diese Trennung kann trainiert werden, um Stereobilder ohne Sehhilfe zu betrachten. Ohne die Fähigkeit zur Trennung von Akkomodation und Konvergenz ist eine Sehhilfe mit Sammellinsen erforderlich, mit der die Akkomodation auf Unendlich verbleiben kann und die Stereobilder trotzdem in der Nähe scharf gesehen werden können. Der maximale Rahmenabstand ist bei dieser Betrachtungsmethode gleich dem Augenabstand.

4.2 Kreuzblick

Die Augenachsen verlaufen über Kreuz, um augenwidrig angeordnete Stereobilder ohne Sehhilfe betrachten zu können. Diese Stellung der Augenachsen ergibt sich beim Fixieren eines Objektes, das sich unmittelbar vor den Augen befindet.

Anmerkung: Parallelblick und Kreuzblick sind trainierbar, manchen Menschen fällt der Parallelblick leichter, anderen der Kreuzblick.

4.3 Stereoskopische Sehhilfe

Die stereoskopische Sehhilfe ist ein für den Betrachter eines Stereobildes erforderliches Betrachtungshilfsmittel (Stereoskop oder Stereobrille). In der Regel besitzt die Sehhilfe eine optische Vergrößerung. Der Betrachter ist deshalb in der Lage, ein in der Nähe befindliches Stereobild mit paralleler Augenstellung entspannt scharf zu sehen. (Der Betrachter muss Akkomodation und Konvergenz nicht trennen, optisch sieht er in die Ferne).

Bei freisichtiger Bildtrennung durch Streifen- oder Linsenraster oder durch (übungsabhängig) bewusst getrennte Akkomodation und Konvergenz beider Augen (siehe Parallelblick, Kreuzblick) ist die Stereoskopische Sehhilfe entbehrlich.

4.3.1 Stereoskop

Das Stereoskop ist ein Betrachtungsgerät mit optischer Vergrößerung zum beidäugigen Verschmelzen ortsverschieden angeordneter (meist gedruckter) Halbbilder zu einem virtuellen Raumbild. Häufig enthält das Stereoskop Keillinsen, die eine Konvergenz der optischen Achsen bewirken und damit einen größeren Rahmenabstand als den Augenabstand erlauben. Sehhilfen mit Keillinsen besitzen in der Regel auch eine Einrichtung zur Abstands-Kontrolle zwischen Stereobild und Keillinsen.

4.3.2 Spiegel-Stereoskop

Das Spiegel-Stereoskop ist ein Betrachtungsgerät meist ohne optische Vergrößerung zum beidäugigen Verschmelzen ortsverschieden angeordneter (meist gedruckter) Halbbilder zu einem virtuellen Raumbild. Dank der Umlenkung der optischen Achsen mittels Spiegel (bevorzugt Oberflächenspiegel) gibt es keine Beschränkung bezüglich des Rahmenabstandes.

4.3.2 Stereobrille

Die Stereobrille ist ein oft nur als Vorhalter ausgebildeter Brillenvorsatz (Lorgnette) mit optischer Vergrößerung, meist aber ohne Keillinsen. Mit einer Stereobrille ohne Keillinsen lassen sich nur Stereobilder betrachten, deren Rahmenabstand in etwa dem Augenabstand entspricht.

Anmerkung: Anstatt der Verwendung einer Stereobrille können stark kurzsichtige Brillenträger auch einfach ihre Brille abnehmen.

4.3.3 Stereobetrachter

Der Stereobetrachter ist ein Betrachtungsgerät mit optischer Vergrößerung zum beidäugigen Verschmelzen ortsverschieden angeordneter Halbbilder (meist Durchlichtbilder, Stereodias) zu einem virtuellen Raumbild.

4.4 Stereoprojektor

Der Stereoprojektor ist ein Stehbildwerfer mit zwei Projektionsobjektiven zum Projizieren von Stereodias, deren Halbbilder in Stereorahmen gefasst sind.

Anmerkung: Miteinander gekuppelte Einzelbildwerfer und Bildwerfer mit Strahlenteilung durch Stereovorsätze gelten nicht als Stereoprojektoren.

4.5 Stereobildwand

Die Stereobildwand ist eine Projektionsfläche, welche den Polarisationszustand des auftreffenden Polarisationslichtes unverändert lässt. Als Reflexions-Stereobildwände sind derzeit lediglich metallisierte Bildwände bekannt. Rückprojektions-Stereobildwände bestehen aus transparentem, aber feinstrukturiertem und gut lichtstreuendem Material.

4.6 Shutterbrille

Die Shutterbrille ist eine auf den Bildwechsel von Computermonitoren synchronisierte Lichtschleuse in Brillenform. Beim zeitsequentiellen Bildtrennungsverfahren wird auf dem Computermonitor abwechselnd das linke und das rechte Halbbild dargestellt. Die Brille schaltet synchron zum Bildwechsel das jeweilige Nutzbild transparent und das fremde Bild (für das jeweils andere Auge) dunkel.

4.7 Autostereoskopie

Jede Methode, die es einem Betrachter ohne Einsatz von stereoskopischen Sehhilfen erlaubt, Stereobilder zu einem Raumbild zu verschmelzen.

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5 Stereoskopische Bildtrennung und Vorrichtungen

5.1 Bildtrennung, stereoskopische~

Die stereoskopische Bildtrennung ist die Strahlenauslese, die eine getrennte Zuordnung von ortsgleichen, aber in ihrer Wirkung verschiedenen überlagerten Halbbildern oder ineinandergeschachtelten Teilbildern zu beiden Augen ermöglicht.

5.2 Polarisationseinrichtungen zur Bildtrennung

5.2.1 Polarisationsfilter

Flächenpolarisator mit Deckschichten aus Glas.

5.2.2 Polarisationsfolie

Flächenpolarisator mit Deckschichten aus Kunststoff.

5.2.3 Polarisationsfilm

Flächenpolarisator ohne schützende Deckschichten.

5.3 Anaglyphen-Lichtfilter

Zweiteiliger, gegenfarbiger Filtersatz aus Glas oder Kunststoff (z.B. rot und grün oder rot und cyan).

5.4 Rasteröffnung

Die Rasteröffnung ist das Größenverhältnis von Brennweite und Streifenbreite der Einzelelemente eines Linsenrasters.

5.5 Rasterschritt

Der Rasterschritt ist das Breitenverhältnis von lichtdurchlässigen und -undurchlässigen Streifenelementen eines Linsenrasters.

5.6 Zeitsequentielle Bildtrennungsverfahren

Alle Wiedergabeverfahren, bei denen das linke und rechte Halbbild abwechselnd mit nur einem Wiedergabegerät dargestellt werden. Zur Betrachtung ist entweder eine Shutterbrille oder - falls das Wiedergabegerät über eine Einrichtung zur zeitgleichen Umschaltung der Polarisationsebene verfügt - eine Polarisationsbrille notwendig.

Anmerkung: Die zeitsequentielle Darstellung mittels CRT-Projektor stellt hohe Anforderungen an eine möglichst geringe Nachleuchtzeit der verwendeten Phosphore, da sonst Störbilder entstehen. Zur Zeit verfügbare LC-Videoprojektoren sind auf Grund ihrer Trägheit für das zeitsequentielle Bildtrennungsverfahren ungeeignet.

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6 Stereoskopische Verfahren und Vorrichtungen

6.1 Spreizverfahren

Das Spreizverfahren ist ein Verfahren zur Bildtrennung von Halbbildern, die ortsverschieden auf einem oder zwei getrennten Bildträgern angeordnet sind und erst nachträglich wirkungsverschieden einander überlagert werden (Additive "Überschattung").

6.2 Siebverfahren

Das Siebverfahren wird angewendet zur Bildtrennung von Halbbildern, die auf einem gemeinsamen Bildträger ortsgleich, aber wirkungsverschieden einander überlagert sind (Subtraktive "Überleuchtung"). (Siehe Anaglyphenbild und Vektographenbild.)

6.3 Vektographenverfahren

Vektographenverfahren ist die Gesamtheit der voneinander verschiedenen Herstellungsarten von Vektographenbildern.

6.4 Vektographenbild

Stereobild mit ortsgleich überlagerten Halbbildern, die gegensinnig polarisiert sind. Das Vektographenbild ist das polarisationsoptische Gegenstück zum Anaglyphenbild Es wird mitunter auch dichroitisches Jodbild genannt.

Anmerkung: Gruppen von Halbbildern, die mittels Polarisationsrastern streifenweise ineinandergeschachtelt werden, sind keine Vektographenbilder. Aus sprachlichen Gründen soll von dem Begriff "Vektograph" nach Möglichkeit abgesehen werden. (Dies gilt entsprechend auch für den Begriff Anaglyphe.)

6.5 Anaglyphenbild

Ein Anaglyphenbild ist ein Stereobild mit ortsgleich gegenfarbig überlagerten Halbbildern. (Siehe Anmerkung zu Abschnitt 6.4)

6.6 Anaglyphenbrille

Eine Anaglyphenbrille ist eine Brille mit gegenfarbigen Lichtfiltern.

Anmerkung: Unabhängig von Sieb- oder Spreizverfahren ist es üblich, dem linken Auge den langwelligen, dem rechten Auge den kurzwelligen Teil des sichtbaren Spektrums zuzuordnen, d.h. links = rot (orange), rechts = blau (grün)).

6.7 Polarisationsbrille

Eine Polarisationsbrille ist eine Stereobrille mit gegensinnig (linear oder zirkular) polarisierenden Lichtfiltern.

Anmerkung: Unabhängig von Sieb- oder Spreizverfahren ist es üblich, dem linken Auge eine Schwingungsrichtung zuzuordnen, die etwa der Uhrzeigerstellung "10.22" (nach links ansteigend) entspricht während dem rechten Auge die rechtwinklig verlaufende Schwingungsrichtung einer Uhrzeigerstellung von etwa "13.38" (nach rechts ansteigend) zukommt (d.h. links = \, rechts = /, entsprechend den Schenkeln eines "V").

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7 Stereoskopische Begriffe zum Objekt- und Bildraum

7.1 Blickfeld

Das Blickfeld eines Auges legt den Bereich fest, innerhalb dessen ein Rasterelement als freisichtiges stereoskopisches Trennmittel wirkt. Mit zunehmender Betrachtungsentfernung geht diese Eigenschaft spätestens dann verloren, wenn die Breite des gemeinsamen zweiäugigen Blickfeldes dem Augenabstand entspricht.

7.2 Stereoskopische Sehschärfe

Die stereoskopische Sehschärfe ist der Zahlenwert des kleinsten noch wahrnehmbaren Tiefenunterschiedes.

Anmerkung: Die Literatur gibt für den kleinsten noch wahrnehmbaren Tiefenunterschied einen Parallaxenwinkel von etwa 5" bis 10" (Bogensekunden) an.

7.3 Stereoskopische Tiefenzone

Die stereoskopische Tiefenzone ist der beidäugig ohne merkbare Änderung der Akkomodation physiologisch verschmelzbare Tiefenbereich zwischen zwei verschieden weit entfernten Raumpunkten.

7.4 Akkomodation

Die Akkomodation ist das Scharfstellen der Augenlinsen auf den betrachteten Raumpunkt.

7.5 Blicksprungfreiheit

Die Blicksprungfreiheit ist der Winkelbereich eines Rasterbildes in waagerechter Richtung, in dem die Bildtrennung für beide Augen eines Betrachters gleich Werte behält.

7.6 Konvergenz

Die Konvergenz ist das Zusammenlaufen der Hauptstrahlen von zwei oder mehr verschiedenen Perspektivzentren (z.B. der Augen, Kamera- oder Projektionsobjektive) - bzw. deren Mittel - nach einem Raumpunkt.

7.7 Divergenz

Die Divergenz ist das Auseinanderlaufen der Hauptstrahlen von zwei oder mehr verschiedenen Perspektivzentren (z.B. der Augen, Kamera- oder Projektionsobjektive) - bzw. deren Mittel. Beim natürlichen Sehen sind divergente Augenachsen niemals erforderlich und deshalb beim stereoskopischen Sehen bewusst zu vermeiden, siehe auch divergente Augenachsen.

7.8 Orthomorph

Gestalt- und lagerichtig. Synonym für richtig in der Gestalt. Ein orthomorphes Raumbild erzeugt beim Betrachter einen gegenüber dem natürlichen Sehen formrichtigen, aber nicht unbedingt maßstabsgetreuen Verschmelzungseindruck.

7.9 Tautomorph

Gestalt-, größen- und lagerichtig; vorlagengetreu. Synonym für identisch in der Gestalt. Ein tautomorphes Raumbild erzeugt beim Betrachter einen gegenüber dem natürlichen Sehen unverfälschten (also raumrichtigen und maßstabsgetreuen) Verschmelzungseindruck, siehe auch naturgetreues Raumbild.

7.10 Orthoskopisch

Orthoskopisch ist die richtige Tiefenfolge in einem Raumbild. (Kurzform für 'orthomorph stereoskopisch').

7.11 Planoskopisch

Von zwei identischen Halbbildern ausgehend. Die Tiefenwirkung fehlt beim Betrachten eines planoskopischen Stereobildes, es erscheint mitunter lageversetzt.

7.12 Stereoskopische Blendenzahl

Kehrwert der relativen Öffnung der photographischen Objektive einer Stereokamera. Um einen Verlust an stereoskopischer Wirkung bei der Bildbetrachtung zu vermeiden, muss die Blendenzahl k so gewählt werden, dass die Schärfentiefe größer ist als der Verschmelzungsbereich.

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8 Geometrische Begriffe der Stereoskopie

8.1 Augenabstand

Augenabstand ist der Abstand der Pupillenmitten bei Akkomodation auf unendlich. Trotz individueller Abweichungen des Augenabstandes ist der Mittelwert des Augenabstandes mit 63,5 mm festgelegt, er ist für den Okularabstand von stereoskopischen Sehhilfen wichtig.

8.2 Aufnahmebasis

Die Aufnahmebasis ist der Abstand der optischen Achsen der beiden photographischen Objektive einer Stereokamera. Sie entspricht bei Normalaufnahmen dem Augenabstand. Eine Verkleinerung der Aufnahmebasis ergibt Gigantismus- eine Vergrößerung ergibt Liliputismus, mathematisches Symbol: bK.

8.3 Betrachtungsbasis

Die Betrachtungsbasis ist der gegenseitige Abstand der Perspektivzentren bei Betrachtung oder Projektion von Stereobildern. Die individuelle Betrachtungsbasis eines menschlichen Betrachters ist immer sein Augenabstand, mathematisches Symbol: b0.

8.4 Korrespondierende Bildpunkte

Korrespondierende Bildpunkte sind die zu einem punktförmigen Objekt gehörenden Bildpunkte in den Halbbildern oder Teilbildern eines Stereobildes.

8.4.1 Parallaktische Verschiebung (Querdisparation)

Die parallaktische Verschiebung ist der gegenseitige Abstand der korrespondierenden Bildpunkte in mit deckungsgleichen Rahmen aufeinander gelegten oder projizierten Halbbildern. Die parallaktische Verschiebung ist eine Eigenschaft des Stereobildes unabhängig von der Anordnung seiner Halbbilder, mathematisches Symbol: v.

8.4.2 Deviation, maximale Querdisparation

Die Deviation ist die Differenz zwischen den Stereonahpunkt- und Stereofernpunkt- Abständen, oder, gleichbedeutend, die Differenz der parallaktischen Verschiebungen der korrespondierenden Bildpunkte des Nahpunktes und des Fernpunktes. Für ermüdungsfreies Betrachten der Stereobilder sollte diese Differenz ≤ 1/30 der Bildbreite sein (etwa 1,2 mm für Kleinbildformat), mathematische Symbol: d.

8.5 Stereofernpunkt

Der Stereofernpunkt ist der weiteste stereoskopisch erfasste Raumpunkt im Stereobild.

8.5.1 Stereofernpunktabstand (Fernpunktabstand)

Der Stereofernpunktabstand ist der gegenseitige Abstand der korrespondierenden Bildpunkte des Stereofernpunktes in nebeneinander gedruckten oder übereinander projizierten Halbbildern. Liegt der Stereofernpunkt in sehr großer Entfernung (im Unendlichen), so ist bei der Betrachtung oder bei der Projektion der Stereofernpunktabstand (bei Verwendung unvergrößerter Originalbilder) genähert gleich dem Augenabstand. Der Fernpunktabstand orientiert sich an der unmittelbaren Betrachtungssituation und ist von der Anordnung der Halbbilder abhängig, mathematisches Symbol: dF.

8.5.2 Stereofernpunktweite (Fernpunktweite)

Die Stereofernpunktweite ist die Entfernung des entferntesten Punktes im Objektraum vom Mittel der Perspektivzentren aus in Richtung der optischen Achsen. (Andere Definition: der lotrechte Abstand des Fernpunktes zur Basislinie), mathematisches Symbol aF.

8.6 Stereonahpunkt

Der Stereonahpunkt ist der naheste stereoskopisch erfasste Raumpunkt im Stereobild.

8.6.1 Stereonahpunktabstand (Nahpunktabstand)

Der Stereonahpunktabstand ist der gegenseitige Abstand der korrespondierenden Bildpunkte des Stereonahpunktes in nebeneinander gedruckten oder übereinander projizierten Halbbildern. Der Nahpunktabstand orientiert sich an der unmittelbaren Betrachtungssituation und ist von der Anordnung der Halbbilder abhängig, mathematisches Symbol: dN.

8.6.2 Stereonahpunktweite (Nahpunktweite)

Die Stereonahpunktweite ist die Entfernung des nahesten Punktes im Objektraum vom Mittel der Perspektivzentren aus in Richtung der optischen Achsen. (Andere Definition: der lotrechte Abstand des Nahpunktes zur Basislinie.), mathematisches Symbol aN.

Anmerkung: Der Stereofernpunktabstand und der Stereonahpunktabstand sind vorzeichenbehaftete Größen, da (bei der Projektion) die Anordnung zweier korrespondierenden Bildpunkte augenrichtig (positives Vorzeichen) oder augenwidrig (negatives Vorzeichen) sein kann.

8.7 Scheinfenster

Das Scheinfenster ist der räumliche Bezug der Bildbegrenzung zum Objektraum. Der Informationsgehalt des Raumbildes erscheint bei beidäugiger Verschmelzung wie durch ein Fenster gesehen. Dies wird technisch dadurch erreicht, dass der Stereonahpunktabstand entweder bei der Aufnahme (a) oder beim Montieren bzw. Kopieren (b) gleich oder nur wenig größer als der Rahmenabstand gewählt wird. Dazu wird im Fall a) der Abstand der Kamerabildfenster um den Wert der Deviation größer gewählt als der Abstand der Objektive oder im Fall b) die Halbbilder gegenüber dem Rahmen entsprechend verschoben. (Hierbei entstehen geringe Verluste der Bildbreite.)

8.7.1 Scheinfensterabstand

Der Scheinfensterabstand ist der gegenseitige Abstand der seitlichen Randbegrenzungen nebeneinander gedruckter oder übereinander projizierter Halbbildern. Der Scheinfensterabstand orientiert sich an der unmittelbaren Betrachtungssituation und ist von der Anordnung der Halbbilder abhängig.

8.7.2 Scheinfensterweite

Die Scheinfensterweite ist die Entfernung derjenigen Ebene im Objektraum vom Mittel der Perspektivzentren (gemessen in Richtung der optischen Achsen), in welcher die seitlichen Randbegrenzungen der Halbbilder beim stereoskopischen Betrachten zum Scheinfenster werden. In Stereosystemen, die keine Montage der Stereobilder und damit keine nachträgliche Korrektur des Scheinfensters zulassen (Stereofilm), ist die Scheinfensterweite ein wichtiger aufnahmebestimmender Parameter für die Kameraführung. Beim Stereophoto ist meist eine nachträgliche Korrektur der Scheinfensterweite möglich und sollte kreativ in die Bildgestaltung einbezogen werden.

8.8 Konvergenzwinkel

Der Konvergenzwinkel ist der Winkel zwischen den Strahlen von den Perspektivzentren nach einem Raumpunkt.

8.9 Verschmelzungswinkel

Der Verschmelzungswinkel ist die Differenz der Konvergenzwinkel zwischen zwei störungsfrei verschmelzbaren Raumpunkten.

Anmerkung: Die Literatur gibt für den Toleranzbereich der Tiefenausdehnung, der noch zu einem Objekt verschmolzen werden kann (Fusionsbereich nach Panum) einen Wert von etwa 6' (Bogenminuten) an. Als Grenze des lokalen Bildzerfalls gilt ein Wert von etwa 25" (Bogenminuten); während ein Stereobild in seiner Gesamtheit einen Wert von 70" (Bogenminuten) nicht überschreiten sollte. Dieser als 70-Minuten Bedingung in die Stereoliteratur eingegangene Grenzwert gilt heute in seiner ursprünglichen Bedeutung als widerlegt, besitzt aber dennoch eine wichtige praktische Bedeutung bei der Herstellung von Stereobildern.

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9 Verzerrungen des Raumbildes ohne Störungen der Verschmelzung

In diese Kategorie fallen Raumbilder, die gegenüber der Originalansicht verfälscht sind, aber trotzdem ermüdungsfrei betrachtet werden können. Diese Verfälschungen können durchaus erwünscht sein. So stellen beispielsweise Stereo-Makroaufnahmen mit Gigantismus innerhalb der Stereophotographie eine eigene Kunstform dar. In der Regel sind alle Verfälschungen, welche eine vertikale Verschiebung korrespondierender Bildpunkte ergeben, verschmelzungsstörend und solche mit nur horizontaler Verschiebung nicht verschmelzungsstörend.

9.1 Gigantismus (auch Mammutwirkung)

Der Gigantismus ist die raumbildliche Vergrößerung, wenn Aufnahmebasis < Augenabstand gilt. Ein Raumbild mit Gigantismus kann orthomorph, aber nicht mehr tautomorph sein.

9.2 Liliputismus (auch Modellwirkung)

Der Liliputismus ist die raumbildliche Verkleinerung, wenn Aufnahmebasis > Augenabstand gilt. Ein Raumbild mit Liliputismus kann orthomorph, aber nicht mehr tautomorph sein.

9.3 Vertiefung (früher auch: hyperstereoskopisch, auch hypertrop - räumlich gestreckt)

Vertiefung ist die Eigenschaft eines Raumbild mit übertriebener Tiefenwirkung. Ein hyperstereoskopisches Raumbild ist nicht mehr orthomorph.

9.4 Verflachung (früher auch Hypostereoskopisch, auch endotrop - räumlich gestaucht)

Verflachung ist die Eigenschaft eines Raumbildes mit untertriebener Tiefenwirkung. Ein hypostereoskopisches Raumbild ist nicht mehr orthomorph.

9.5 Verkantung und Verkippung

Drehung der Stereokamera während der Aufnahme um ihre horizontale/oder vertikale Achse

Anmerkung: Das Raumbild wird in diesem Fall ohne Verschmelzungsstörungen gesehen, jedoch gilt beispielsweise ein schiefer Horizont in einem Stereobild meist als ästhetischer Mangel (in Ausnahmefällen kann ein entsprechender Effekt auch gewollt sein).
Wird später bei der Rahmung versucht, den schiefen Horizont in die Waagerechte zu korrigieren, entsteht ein Rotationsfehler, der dann verschmelzungsstörend ist.

9.6 Raumbildverzerrung

In diesem Text jede Abweichung des Raumbildes von seiner Vorlage (Aufnahmeobjekt, gezeichnete Vorlage), solange die Verzerrung keinen vertikalen Versatz korrespondierender Bildpunkte beinhaltet (es soll auch mit der Verzerrung ein gültiges Raumbild bleiben).

Anmerkung: Abweichungen mit vertikalem Versatz korrespondierender Bildpunkte werden Verzeichnung genannt.

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10 Raumbildfehler, die zu Störungen der Verschmelzung führen

In diese Kategorie fallen Raumbilder, deren Verschmelzung anstrengend und auf Dauer nicht ermüdungsfrei ist. Für den ungeübten Betrachter sind solche Fehler häufig auf Anhieb nicht erkennbar, es stellt sich lediglich ein unbestimmtes Gefühl des Unbehagens ein. Die Ursachen für verschmelzungsrelevante Fehler können bei der Aufnahme, bei der Rahmung oder bei der Wiedergabe verursacht sein.

10.1 Pseudoskopisch

Umgekehrte Tiefenfolge in einem Raumbild.

10.2 Bildfehler, die bevorzugt bei der Aufnahme entstehen

10.2.1 Übertriebene Raumtiefe, Bildzerfall

Bei Überschreitung des zulässigen Tiefenbereiches lässt sich das Raumbild nur noch mit Anstrengungen verschmelzen, unter Umständen werden Doppelbilder gesehen, es kommt zum Bildzerfall. Siehe auch Verschmelzungswinkel.

Anmerkung: Um Bildzerfall zu vermeiden, sollte die Deviation eines Raumbildes nicht größer als 1/30 seiner Bildbreite sein. Daraus lassen sich eindeutige Richtwerte für die maximal zulässige Aufnahmebasis ableiten.

10.2.2 Größenfehler

Der Größenfehler entsteht durch unterschiedlich große Halb- oder Teilbilder. Ursachen für größenfehlerbehaftete Raumbilder können Aufnahme- oder Projektionsobjektive mit unterschiedlichen Brennweiten sein.

10.2.3 Konvergente Aufnahmeachsen

Konvergente Aufnahmeachsen führen zu trapezförmigen Bildverzeichnungen und damit zu einem vertikalen Bildpunktversatz.

Anmerkung: Konvergente Aufnahmeachsen sind häufig ein Mittel, um bei Aufnahmen mit Verschiebetechnik (siehe Stereoschieber) Bildverlust zu vermeiden. Dieses Vorgehen ist nicht empfehlenswert. Der Bildverlust sollte vielmehr akzeptiert und durch Wahl einer kleineren Nutzgröße maskiert werden.

10.3 Bildfehler, die bevorzugt bei der Rahmung entstehen

10.3.1 Höhenfehler

Der Höhenfehler ist der Montage- oder Deckungsfehler einander entsprechender Halb- oder Teilbildpunkte in senkrechter Richtung.

10.3.2 Seitenfehler, Scheinfensterbedingung

Der Seitenfehler ist der Montage- oder Deckungsfehler einander entsprechender Halb- oder Teilbildpunkte in waagerechter Richtung. Bei Verletzung der Scheinfensterbedingung durchdringen Raumobjekte die Kante des Scheinfensters. Durch die Variation der seitlichen Lage der Halb- oder Teilbilder relativ zum Fensterausschnitt des Diarahmens wird die relative Position des Raumbildes zum Scheinfenster bestimmt. Anzustreben ist eine Stereonahpunktweite, die nur wenig größer als die Scheinfensterweite ist (das Raumbild sollte knapp hinter dem Scheinfenster beginnen).

10.3.3 Rotationsfehler

Der Rotationsfehler ist der Montage- oder Deckungsfehler einander entsprechender Halb- oder Teilbildpunkte durch Drehung eines oder beider Halb- oder Teilbilder.

Anmerkung: Der Verschmelzungsvorgangs ist gegenüber Rotationsfehlern äußerst empfindlich. Im allgemeinen sind Rotationsfehler, die noch mit freiem Auge auf der Projektionsleinwand identifiziert werden können, schon verschmelzungsstörend und nicht mehr akzeptabel.

10.4 Bildfehler, die bevorzugt bei der Wiedergabe entstehen

10.4.1 Divergente Augenachsen, Augenakrobatik

Durch einen Fernpunktabstand, der größer als der Augenabstand ist, wird der Betrachter zu auseinanderlaufender, das heißt divergenter Stellung der Augenachsen gezwungen. Eine Folgeerscheinung divergenter Augenachsen ist die Ermüdung des Betrachters bis hin zur völligen Unfähigkeit, die Halb- oder Teilbilder zu verschmelzen.

Anmerkung: Als Grenzwert der Divergenz werden bei einer Stereoprojektion etwa 30' (Bogenminuten) zugelassen. Dies entspricht einer Zunahme des Fernpunktabstandes von etwa 1cm je Meter Betrachtungsabstand.

10.5 Störbild

Innerhalb des Raumbildes durch ungenügende Bildtrennung störend sichtbare Teile des nicht dem rechten oder linken Auge zugeordneten (und daher fremden) Halb- oder Teilbildes im Gegensatz zum Nutzbild.

Anmerkung: Der früher gebräuchliche Begriff "Restbild" (Geisterbild) ist mit Rücksicht auf die darauf bezogenen Begriffe Störwert, Störfaktor usw. zu vermeiden.

10.6 Nebenbild

Außerhalb des Raumbildes durch ungenügendes Ausblenden für jedes Auge noch sichtbare Teile des jeweils fremden Halb- oder Teilbildes.

10.7 Moiré

Bei Rasterbildern störend merkbare Schattenstruktur durch nicht ausreichende Parallelität von Halb- oder Teilbildstreifen bzw. Rasterelementen.

10.8 Leuchtdichte-Unterschiede

Das Verhältnis der Leuchtdichten korrespondierender Bildpunkte in einem Stereobild.

Anmerkung: Die Leuchtdichten in einem Stereobild sollten nur geringfügig voneinander abweichen. Die Literatur gibt tolerierbare Differenzen des Weißpegels von etwa 1,5 dB und des Schwarzpegels von etwa 0,1 dB an.




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